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Die eigenwillig authentische, in einzelnen Werkphasen sich deutlich unterscheidende,  Bildsprache und die Sicherheit, hier zweifelsfrei vor Beiträgen zu einer differenziert betrachteten künstlerischen Moderne zu stehen, muss jede repräsentative Ausstellung des Werkes von Kate Diehn-Bitt (1900 – 1978) interessant machen. Häufige wirkungsgeschichtliche Unterbrechungen geben das Gefühl neuerlicher Entdeckung. Der Prozeß zu ergebnisgerechter Aufmerksamkeit ist in Gang gesetzt. Wichtige Werkteile haben in öffentliche und private Sammlungen Eingang gefunden.

   Als die in Berlin geborene, in Bad Doberan aufgewachsene und fast ihr ganzes Leben mit Rostock verbundene Malerin und Zeichnerin Kate Diehn-Bitt, nach ihrer Ausbildung bei Woldemar Winkler und Willy Kriegel an der Akademie Simonson-Castelli in Dresden, 1929 bis 1932, mit großen Hoffnungen und ihrer ersten selbständigen größeren Malerei, „Selbstbildnis in schwarzer Unterwäsche“, an die Öffentlichkeit tritt, wird sie bald dem Rassismus und der rigorosen Kunstfeindlichkeit der Nazidiktatur gegenüberstehen. Auf der Frühjahrsausstellung 1933 der Rostocker Künstler und dann nochmals 1935, in der Galerie Gurlitt in Berlin, kann sie einige Arbeiten vorstellen. Für eine Ausstellung in Lübeck 1934 war ihr Beitrag bereits als „artfremd“ zurückgewiesen worden. Wohl auch mit Bezug auf ihren jüdischen Stiefvater, dem Chemiker und Apotheker Dr. Leo Glaser, wird sie kein Mitglied der Reichskunstkammer. Offiziell darf sie kein Malmaterial mehr beziehen. Bei ständiger Bedrohung durch Überprüfungen arbeitet sie zurückgezogen weiter. Die Arbeitsmaterialien werden von Kollegen und Freunden besorgt. Damit gehört sie im engsten Sinne zu den Künstlern der verschollenen Generation. Zu ihren frühen, sehr freien, duftigen und impressiven Zeichnungen und Aquarellen, beeinflusst von ihrem ersten Kunstlehrer, dem Bad Doberaner Schüler von Lovis Corinth, Rudolf Sieger, entstehen in den 30er Jahren klar gebaute, farblich zurückgenommene, undramatische, ernst wirkende, suggestiv ausstrahlende und stark nachwirkende Menschendarstellungen aus ihrem familiären und Lebensumfeld, darunter Selbstbildnisse, bei zunehmender Zurückgezogenheit auch Landschafts-, Pflanzen- und Haustierdarstellungen. Die oft monumental wirkenden, aber nuanciert vorgetragenen Arbeiten lassen uns Stimmungen erfahren. Auch finden wir expressionistische Überhöhungen in Zeichnungen und Gemälden.

Zum Ende der 30er und in die beginnenden 40er Jahre hinein nahm die persönliche Betroffenheit durch das unmenschliche faschistische System zu. In der Reichspogromnacht wird der Stiefvater verhaftet und steht später unter Gestapo-Aufsicht. Familienangehörige von ihm kommen in Konzentrationslager und dort ums Leben. Ende der 40er Jahre werden diese Eindrücke in einer Reihe von eindringlichen Zeichnungen und Gemälden von Kate Diehn-Bitt thematisiert. Neue Hoffnungen, ins besondere auf künstlerische Öffentlichkeit, gibt es zunächst nach Kriegsende. Die Malerin wird trotz der Folgen einer schweren Typhuserkrankung, 1945, kunstpolitisch aktiv, ist Mitbegründerin des Kulturbundes zur demokratischen  Erneuerung Deutschlands, wird von den Rostocker Künstlern zur Vorsitzenden der Sektion Bildende Kunst gewählt. Auch gründet sie 1946 mit Kollegen die Sparte Bildende Kunst in der Gewerkschaft „Kunst und Schrifttum“ des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. 1946 nimmt sie an der von verfemten Künstlern dominierten Ersten Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung und auch 1949 an der Zweiten Deutschen Kunstausstellung in Dresden teil. Die erste Personalausstellung nach dem Kriege zeigt das Schweriner Landesmuseum 1948. Die Fachwelt reagiert positiv. Größere öffentliche Resonanz kann sie mit ihren Arbeiten nicht erlangen. Neben der Aufarbeitung des Traumas der 30er Jahre entstehen  künstlerisch gültige Arbeiten zum Neuanfang ( in der Ausstellung: das Tryptichon „Wir wollen Frieden“ oder „Selbst mit Gruppe“) und zu Alltagsthemen.  Einen immer stärker geforderten (- zur Schau getragenen - ) Optimismus infolge zunehmender Ideologisierung kann sie damit nicht entsprechen. Zum Ende der 40er Jahre und in den 50er Jahren gerät Kate Diehn-Bitt, insbesondere in der Malerei, in eine tiefe künstlerische Krise. Verschiedene Faktoren kommen da wohl zusammen. Einerseits fordert die Aufarbeitung der belastenden wie prägenden 30er Jahre viel Kraft. Andererseits wird der Abstand zu den Erlebnissen immer größer. Wiederholungen nehmen zu und die Intensität der künstlerischen Lösungen nimmt zum Ende der 40er Jahre ab. Die offiziell rasch einsetzende politische Aufgabe demokratischer Prinzipien und kunstpolitisch ab 1950/51 das Wirken der so genannten Formalismusdebatte mit der praktisch totalen Aussetzung künstlerischer Freiheit wie der Unterbindung einer Moderne, auch einer denkbaren sozialistischen, wirken ebenfalls. Ihre Funktionen in den Verbänden und Organisationen gibt sie ab. Auch gesundheitliche Probleme werden zu der künstlerischen Krise geführt haben.  Die zwar überwundene  lebensbedrohliche Typhuserkrankung nach Kriegsende leitet eine bis zum Tode währende Zeit mit immer wieder schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen ein. Bald chronisch werdende rheumatische Erkrankungen behindern sie körperlich. Die Schmerzen versucht sie durch Alkohol bis zur Abhängigkeit zu betäuben. Depressionen mit Suizidgefährdungen nehmen (insbesondere nach dem Tod ihres Mannes, dem Zahnarzt Peter Paul Diehn) zu und führen zum Lebensende hin zu immer längeren Klinikaufenthalten. Die Summe der ihr Leben und die Fortführung ihres bisherigen Schaffens nachteilig beeinflussenden Faktoren hatte ab spätestens der Mitte der 50er Jahre auch zu einem sich vergrößernden Abstand zum Kunstgeschehen in der DDR geführt. Rückzug in Kreise des engeren Lebensbereiches und auch  Momente der Isolation nahmen zu. Wenn auch nicht bezogen auf die Tafelbildmalerei, sollen bis zum Lebensende noch wichtige Kunstbeiträge entstehen. Mit der seit den 50er Jahren neuerlichen Hinwendung zur Zeichnung und zu in Folge für sich erarbeiteten Techniken wie Pastell, die Arbeit mit dem Aquarellstift, die Collage und die Kombination von Collagetechniken mit der Zeichnung und beispielsweise mit dem Aquarellieren, findet sie auch zu neuen gestalterischen und formgebenden Lösungen. Die Formate werdenkleiner. Oft und besonders bei den auf dem Krankenlager entstandenen Collagen des Alterswerkes ist die künstlerische Überzeugungskraft aus veränderten Gemütslagen gewonnen.

Im zurückschauenden Überblick ergibt sich dann auch eine erhebliche Themenvielfalt, die vom Biblischen über Anregungen aus der Literatur, Rückerinnerungen und Umwelterfahrung bis zum Alltäglichen und zum Phantastischen reicht. Am 23 Oktober 1978 stirbt Kate Diehn-Bitt im Klinikum Rostock-Gehlsdorf.